Ruderkommandos: Warum beim Rudern so viele schlechte Befehle gegeben werden
Ich beobachte immer wieder, dass schlechte Kommandos gegeben werden. Hier versuche ich die Ursachen zu Erklären und Tipps für gute Kommandos zu geben.
Zu Beginn eine Entschuldigung
Ich gebe zu, dieser Artikel ist mir etwas peinlich. Schließlich gehören Kommandos beim Rudern zu den ganz basalen Dingen. Noch dazu kann man die Kommandos leicht nachlesen. Dennoch scheint es für viele Ruderer ein - teilweise sogar unerkanntes - Problem zu sein, gute Kommandos zu geben.
Das Problem mit den Kommandos
Eigentlich ist doch alles ganz einfach: Der Deutsche Ruderverband (DRV) hat eine Liste mit seinen offiziellen Kommandos veröffentlicht . Die lernt und kennt jeder Ruderer. Und alle verstehen sich prächtig - auch über Vereinsgrenzen hinweg.
Aus meiner Sicht ist es jedoch nicht ganz so einfach. Ich erlebe immer wieder, dass Kommandos einfach schlecht gegeben werden - auch von sehr erfahrenen Ruderern. Das führt dann zu Unruhe in der Mannschaft. Mal macht einer einen Schlag zu viel oder wenig. Oder der Ruderer beobachtet aus Vorsicht seine Mitruderer, um sich zu versichern.
Normalerweise ist das kein Problem, sondern nur unschön. Aber jeder kann sich leicht eine Situation auf Wasserschifffahrtsstraßen oder fließendem Gewässer vorstellen, bei der es eben auf die präzise Ausführung von Anweisungen ankommt.
Wieso ist es so schwer, gute Kommandos zu geben?
Gute Kommandos bemerkt man nicht, schlechte schon
Wenn man ein gutes Kommando bekommt, weiß man was man tun soll und wann man es tun soll. Das Kommando selbst wird kaum als solches wahrgenommen. Bekommt man hingegen ein schlechtes Kommando, ist das viel auffälliger. So wird der Kommando-Empfänger selbst keine guten Kommandos lernen, wenn er nicht bewusst zuhört. Und der Sender nimmt das Kommando noch viel weniger war - sondern nur die Ausführung.
In eingespielten Mannschaften im Heimatrevier ist ohnehin alles klar
Ich habe einen großen Teil meines Rudererlebens auf dem Stausee in Niederhausen an der Nahe verbracht. Dort gibt es nur selten Strömung. Schiffe oder Wellen gibt es nie. Andere Hindernisse wie Ruderer, Kanus, Schwimmer, Stand-Up-Paddler sind selten. Hier ist jedem klar, dass am Ende des Sees angehalten und gewendet wird. Viele wenden sogar ausschließlich über Backbord (»Skuller ohne Strömung«). Wer hier viel mit seiner Mannschaft rudert, erlebt keine überraschenden Kommandos. Wie soll man es da lernen?
Zurückhaltung, Höflichkeit und Unsicherheit
Schon das Wort »Kommando« oder gar »Befehl« hat einen faden Beigeschmack, der nicht recht zum Freizeitspaß in der Gruppe passt. Und gerne erlebt man gerade auch jugendliche Ruderer, die es richtig schick finden, andere herumkommandieren zu können.
Um diesem Gefühl entgegen zu wirken, werden Kommandos oft zurückhaltend gegeben. Ich habe den Eindruck, gerade bei Anfängerkursen ist das gerne der Fall. Denn man möchte ja lieb und nett zu den potentiellen Neu-Mitgliedern sein. Nur leider wissen sie dann oft nicht so richtig, was man von ihnen möchte.
Und letztendlich kann die Ursache natürlich auch in Unsicherheit des Kommando-gebenden liegen. Auch hier hilft wohl Erfahrung.
Und schließlich: Niemand bringt es einem bei
Ich stelle immer wieder fest, dass Aspekte jenseits des “Vorwärtsruderns” in der Ausbildung vernachlässigt werden. Das gilt sicherlich nicht für alle Trainer und Ausbilder - aber doch für einige. Damit meine ich beispielsweise Manöver wie Ab- und Anlegen, Rückwärts rudern oder eben auch das Geben von Kommandos.
Es ist absolut verständlich, dass man dem angehenden Ruderer das eigentliche Rudern möglichst gut vermitteln möchte. Aber das Außenrum gehört nun einmal auch dazu. Das gilt aus meiner Sicht auch für die Selbstwahrnehmung. Das Außenrum scheint für viele Ruderer unwichtig zu sein. Anders kann ich mir nicht erklären, weshalb so viel erfahrene Ruderer nicht ablegen können. Aber das ist ein anderes Thema und vielleicht zukünftig ein andere Artikel…
Wie geht es »richtig«?
Sicherlich gibt es viele Wege und Spielarten Kommandos zu geben. Ich beschreibe hier meine Angewohnheiten, die ich mir über Jahre angeeignet und hoffentlich auch verbessert habe. Das soll jedoch nicht heißen, dass es nicht besser oder anders geht.
Das Offensichtliche
Zunächst ganz offensichtlich: Kommandos sollen laut und deutlich ausgesprochen werden. Dabei geht es schlicht um die akustische Verständlichkeit. Eine gewissen »sachliche Neutralität« im Tonfall hilft auch. So grenzt sich das Anliegen des Kommandos vom Plaudern zwischen Steuer- und Schlagmann ab. Und in brenzligeren Situationen strahlt man idealerweise Ruhe und Souveränität aus.
Timing ist (fast) alles
Ein Kommando besteht aus einem Ankündigungs- und einem Ausführungsteil. Das sagt der . Und wer bei der Bundeswehr mal Formaldienst genossen hat, weiß das auch. Der Ankündigungsteil verrät was passieren wird. Der Ausführungsteil wann es passiert - nämlich jetzt.
Damit das funktioniert, braucht man zwischen Ankündigung und Ausführung eine Pause. Für komplizierte Angelegenheiten sollte diese etwas länger sein. Gleichwohl gibt es dringliche Dinge, bei denen keine Zeit für Pausen ist.
Ein einfaches Beispiel: »Alles vorwärts – los«
Soll die Mannschaft ganz einfach mit dem Rudern beginnen, kommandiert man: »Alles vorwärts«. Der ausgebildete Ruderer weiß, dass der Schlag in der Auslage beginnt und begibt sich dorthin. Damit hat man eine schöne Rückmeldung. Sind alle Ruderer dort angekommen, bedeutet ein »los!« den Ruderern nun zu rudern.
Das ist der Standardfall. Abweichungen dazu, werden ebenfalls angekündigt. Ich starte im Training meist aus der Rückenlage. Dann kündige ich an: »Aus der Rückenlage. Alles vorwärts«.
Details des Standardfalls sollte man bei ausgebildeten Ruderern nicht aufzählen. Das bringt keinen Mehrwert und macht einen nicht sympathischer. Das gilt beispielsweise für unnötige Zusätze wie »Freiwasser« oder »ganze Rollbahn«.
Am Rande: Der sagt, dass die Blätter in der Auslage flach auf dem Wasser liegen. Das halte ich anders. Aber darauf kann man ja reagieren.
Für Fortgeschrittene: »Ruder – halt«
Beim Anhalten wird es schon kniffeliger. Möchte man die Mannschaft nicht überraschen, sagt man beim Einsetzen »Ruder« und beim Ausheben »halt«. Ist es eilig - beispielswiese bei einer bevorstehenden Kollision - lässt man die Pause natürlich weg.
Aus diesen »Brot und Butter«-Kommando kann man schön ableiten, dass der Zeitpunkt des Setzens ein guter Zeitpunkt für Ankündigungen ist.
Zählen
Möchte man der Mannschaft etwas mehr geistige oder körperliche Rüstzeit geben, zählt man gerne mal Schläge. Ein Klassiker ist sicherlich »in 3 Schlägen Ruder halt«. Eine verbreitete Spielart ist »in 3 Schlägen aufbauen zum 10er«.
Ein weiterer Grund zum Zählen sind natürlich Übungen und sonstige »Einlagen«, wie zehn Sprint-Schläge. Hier zählt man sozusagen als offizieller Zähler. Jeder Ruderer/Steuermann/Trainer verzählt sich einmal. Schließlich konzentriert man sich währenddessen auf andere Dinge. Wenn hier jemand ansagt, verhält sich die Mannschaft auch dann wohl. Natürlich zählt man hier nicht unbedingt jeden Schlag laut, sondern gibt nur »Zwischenstände« an.
Aussprache-Zeitpunkt
Gibt man das Kommando während man selbst rudert, neigt man dazu beim Ausheben zu zählen. Denn dann atmet man ohnehin aus. Und beim Ausatmen spricht es sich leichter.
Dies führt meiner Erfahrung nach immer wieder zu Verwirrung. Zählt man den gerade vergangenen Schlag oder den bevorstehenden? Und selbst wenn man diese Frage beantworten bzw. klären kann, sollte man sie gar nicht aufkommen lassen - schon gar nicht während einer Übung.
Die Verwirrung beginnt schon beim ersten gezählten Schlag: Es heißt »in 3 Schlägen aufbauen zum 10er«. Dabei wird es jeden Schlag schneller und härter. Nun zählt man »3…2…1..«. Kommt die 3 beim Ausheben, stellt sich mir die Frage, ob ich den ersten Schlag gerade verpasst habe. Kommt die 3 beim Einsetzen ist es klarer.
Daher spricht man die Zahl beim Einsetzen aus. Als Ruderer kostet das etwas Disziplin bzw. Luft, aber es hilft der Mannschaft.
Richtung und Ende: Eindeutigkeit
Bei Ankündigungen zähle ich üblicherweise Rückwärts - für Ruderer sollte das die intuitive Richtung sein. 😏
Wichtig ist das eindeutige Ende. Es gibt immer mal wieder jemanden der bis 0 Zählen möchte. Gerne wird auch darüber diskutiert, ob nur ganze oder auch »angebrochene« Schläge gezählt werden. Mein Credo lautet: Ich schließe im Zweifel zum früheren Zeitpunkt. Es ist mir lieber, jemand fürt mein Kommando einen Schlag früher als erwartet aus, als einen Schlag zu spät. Denn machen es zumindest alle gleichzeitig.
Zur Vollständigkeit: Ich kündige einen 10er folgendermaßen an. »In 3 Schlägen (aufbauen) zum 10er.« Beim Vorrollen: »In«, beim Einsetzen: »3«, beim Einsetzen: »2«, beim Einsetzen »1 und ab«
Feinheiten, Ausnahmen, Sonderfälle
Sagt es nicht, wenn Ihr es nicht so meint
Vorneweg: Ich gebe zu, dies lässt sich nicht immer vermeiden.
Was meine ich überhaupt? Gerne wiederholt man ein Kommando bereits in der Ankündigung: »In 3 Schlägen Ruder halt.« Oftmals verstehen nicht alle das vollständige Kommando. Was sie dabei aber verstehen sind »Buzzwords« wie »Ruder halt«. Daher versuche ich das nicht zu sagen, wenn es »nicht gilt«. Da meist klar ist, dass man bald anhalten möchte, sage ich »Noch 3, 2, 1 und Ruder - halt«. Damit habe ich mehr Ankündigungszeit als die Schlaglänge gegeben. Gleichzeitig sage ich nie »Ruder halt«, ohne es so zu meinen.
Die Hektik beim Ablegen
Kennt Ihr das auch: Vor dem Ablegen heißt es »Alles fertig machen zum Ablegen« und die ersten rufen »Moment«? Beim Ablegen bricht immer wieder die Panik aus, das Schiff zu verpassen.
Aus irgendeinem Grund wird hier ungern auf den Ausführungsteil gewartet. Man sagt »Stoßt..« (oder nach “Steigt…”) und die Mannschaft schiebt los. Um dem zu entgehen, versuchen alle möglichst früh klar zu sein. Und das führt dann zu Hektik beim eigentlichen Fertigmachen.
Ich versuche immer wieder die Hektik herauszunehmen, indem vor dem Kommando niemand die Füße im Boot hat. Aber es fühlt sich nach einem Kampf gegen Windmühlen an. 😞
Ich fasse zusammen: Man stößt auf »ab« ab - nicht früher.
Zusammenfassung
Das oberste Ziel ist stets: Verständlichkeit und Eindeutigkeit. Dabei meine ich akustische und inhaltliche Verständlichkeit. Und gerade beim Ausführungszeitpunkt: Gemeinsamkeit geht vor Korrektheit. Ob Ihr am Ende einen Schlag mehr oder weniger macht, ist nicht so wichtig. Aber die Mannschaft sollte als Einheit agieren.
Daher:
- Achtet auf Eure Stimme: laut, deutlich, sachlich
- In der Kürze liegt die Würze. Keine Kommandos von Selbstverständlichkeiten (der Schlag beginnt nun mal in der Auslage).
- Wenn Ihr zählt, zählt beim Einsetzen.