Rowing Matters

Aus dem Training eines Freizeit-Ruderers: Ein Blog über Training, Rudertechnik und Ausrüstung.

Die merkwürdige Einstellung einiger Ruderer zu Gigbooten

Ich bin immer wieder über die merkwürdige Einstellung vieler Ruderer zu Gigbooten erstaunt. Dabei geht es mir nicht um persönliche Präferenzen. Es geht mir um das Ansehen und den Umgang mit Gigbooten.

Thilo

Lesezeit: 4 Minuten

Kiel eines Gig-Boots.

Wozu Gigboote?

Auf Wikipedia lautet die Zusammenfassung zu Gigbooten :

Das Gigruderboot (kurz die Gig) ist ein deutscher Ruderbootstyp für das Wanderrudern und die Ruderausbildung.

Das ist sicher nicht falsch, deutet aber aus meiner Sicht schon auf das Problem: Wozu nutzt Ihr denn Gig-Boote?

Ich bin an der Nahe zu Hause. Im täglichen Training gibt es für mich keinen Grund, ein dort ein Gigboot rudern - zumindest im Sommer. Wenn ich dort Gigboot fahre, dann in Vorbereitung auf ein Ereignis, wie einen (Breitensport-) Wettkampf.

Aber auch jenseits dessen sehe ich auf dem Stausee in Niederhausen an der Nahe Niederhausen an der Nahe viele Gigboote, insbesondere Gigvierer mit Steuermann. Sei es aus Gründen des Könnens, körperlicher Einschränkungen oder schlicht Bequemlichkeit.

In anderen Revieren kommt sicherlich noch der Aspekt von Strömung und insbesondere Wellen hinzu. Klar kann man auch auf dem Rhein Rennvierer fahren. Aber mit zunehmendem Wellengang liegt man dann oft quer. In solchen Revieren ist das Fahren von Gigbooten Tagesgeschäft. (Etwas Hintergrund: Der sichere Weg mit dem Ruderboot Wellen zu begegnen, ist anzuhalten und das Boot parallel zur Welle zu legen. So wartet man einfach ab und schaukelt über die Wellen. Alternativ kann man senkrecht durch die Welle fahren - ob und wie weit das geht, hängt vom Boot ab. Grundsätzlich geht das mit Gigbooten besser als mit Rennbooten.)

Was erwarten wir von Gigbooten?

Natürlich erwarten wir von einem Gigboot bestimmte Fahreigenschaften - deshalb rudern wir darin. Aber oftmals werden auch andere Eigenschaften damit assoziiert:

Das Gigruderboot (kurz die Gig) ist ein deutscher Ruderbootstyp für das Wanderrudern und die Ruderausbildung.

Daraus wird gerne eine gewisse Robustheit abgeleitet - nicht ganz zu Unrecht. Das führt aber beispielsweise auch dazu, dass es beim Ein- und Austeigen mit den Trittflächen nicht so genau genommen wird. Es wird auch nicht als tragisch angesehen, wenn das Boot den Steg »berührt«. So gibt es zig weitere Beispiele.

Mit der Robustheit geht idealerweise eine Langlebigkeit einher. Die Erwartungshaltung, dass ein Gigboot 30 Jahre klaglos im Vereins-Ruderbetrieb genutzt werden kann, ist durchaus verbreitet. Nun wird es schon spannend, ob die Langlebigkeit erreicht wird, wenn man die Robustheit aktiv ausnutzt.

Aber wir wollen doch schnell sein! Und leicht soll es auch sein!

Nun kommt hinzu, dass auch Gigboote in diversen Wettkämpfen genutzt werden. Ein prominentes Beispiel ist der Düsseldorfer Rheinmarathon . Aus diesem Grund hat der Deutscher Ruderverband (DRV) sogar die Eigenschaften einer Renngig definiert. Diese Boote sollen natürlich möglichst schnell sein - unter Wahrung gewisser Fahreigenschaften, wie Stabilität.

Welche Eigenschaften ein Boot schnell machen, ist noch mal ein ganz eigenes Thema. Aber sicher ist, dass ein geringes Gewicht dabei hilft. So ist es nicht verwunderlich, dass das frühere Mindestgewicht für Renngigs inzwischen gestrichen wurde. (Ich schätze, solche Boote haben sich nicht mehr so gut verkauft.)

Aber im täglichen Ruderbetrieb freut man sich ebenso über ein leichtes Boot. Immerhin muss es meist zum Steg und in die Halle getragen werden.

Mein Problem:

Nun dürfte offensichtlich sein, dass “geringes Gewicht” und “Robustheit/Langlebigkeit” konträre Ziele sind. Hinzu kommen noch die Kosten. Denn welcher Verein hat schon “genug” Geld?

Nun das Problem auf den Punkt gebracht: Die Vereine kaufen leichte und günstige Boote. Die Ruderer (inkl. den Käufern) nutzen die Robustheit aus und alle erwarten, dass das Boot 30 Jahre hält.

Das kann doch nicht funktionieren!

Magisches Dreieck der Gigboot-Anschaffung
Magisches Dreieck der Gigboot-Anschaffung

Eine Anekdote

Neulich war ich ausnahmsweise mal wieder als Übungsleiter tätig. Dabei habe ich eine Mannschaft im Gigvierer betreut, wobei wir alle bei einem Verein zu Gast waren. Meine Mannschaft war von dem Boot sehr angetan: es war schön leicht. Beim Einsteigen habe ich dann über die Bedeutung von Trittflächen bzw. nicht-Trittfläcchen referiert. Kurz darauf kam eine unserer Gastgeberinnen und stellte sich quer in Boot - über Trittfläcchen und Rollbahnen hinweg.

Daraufhin meinte ich zu meiner Mannschaft, sie sollten meine Rede vergessen, wir wären schließlich zu Gast. Die Reaktion unserer Gastgeberin war »Wieso? Das ist doch ein Gigboot«.

Meine Meinung

Ich muss ehrlich gestehen, über dieses Thema kann ich mich wunderbar ärgern!

Mir ist es unbegreiflich, weshalb man mit Gigbooten weniger vorsichtig umgeht, als mit Rennbooten.

Was ich auch oft erlebe: Alle Gigboote werden als Anfängerboote angesehen. Bei den Rennbooten ist ja klar, dass es die guten und »weniger guten« gibt. Wer wichtige/große/tolle Regatten fährt, bekommt tollere Rennboote als ein Anfänger, der zu Kentern droht. (Vielleicht ist es sogar derjenige, der mehr trainiert - das ist jedoch ein anderer Aufreger.) Aber bei Gigbooten ist das anders: das sind ja alles robuste Anfängerboote. (Sie dürfen nur nicht so schwer sein und müssen lange halten)

In meinem Weltbild sind Gigboote genauso wertvolle Ruderboote wie Rennboote auch - nur mit anderen Prioritäten der Fahreigenschaften. Aber am Ende sollten sie dieselbe Wertschätzung wie andere Boote erfahren. Immerhin sind auch diese Boote echte Handwerkskunst. Es werden ähnliche Materialien und ähnliche Herstellungstechniken verwendet.

Disclaimer

Mir ist natürlich klar, dass dies nicht für alle Ruderer und alle Vereine gilt. Nur leider beobachte ich diese Einstellung immer wieder.

Hinzu kommt, dass selbstverständlich jeder Ruderer mit dem Bootsmaterial »gut« umgeht. So wie sich jeder Mensch nach seinem persönlichen Wertesystem »gut« verhält. Nur scheint sich dieses Wertesystem in Bezug auf Boote individuell sehr zu unterscheiden.

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Über Mich

Ich rudere nicht nur, ich blogge auch darüber. Wenn ich nicht trainiere, habe ich nichts zu schreiben...