Rowing Matters

Aus dem Training eines Freizeit-Ruderers: Ein Blog über Training, Rudertechnik und Ausrüstung.

Warum wir bei Nacht nicht rudern

Für die meisten von uns gilt: bei Dunkelheit wird nicht gerudert. Aber warum eigentlich genau?

Thilo

Lesezeit: 4 Minuten

Rudern Bei Nacht - Foto von Zongnan Bao auf Unsplash

Für die meisten Vereine und Ruderer gilt: bei Dunkelheit wird nicht gerudert. Die einfachste Begründung liegt auf der Hand: es ist gefährlich. Aber wie ist es denn bei Nacht zu rudern?

Eine einfache und eingängige Begründung

Stellt Euch vor, es kentert jemand in einsamen Ruderrevier bei Nacht im Einer und bekommt ein Problem. Das hört und sieht niemand - und niemand hilft. Das möchte man mit dieser Regelung verhindern.

Aber wie fühlt es sich an, bei Nacht zu rudern?

Zunächst muss ich sagen, dass ich üblicherweise auch nicht bei Nacht rudere. Dennoch habe ich im Laufe meines Rudererlebens die ein oder andere Fahrt bei Dunkelheit absolviert - teils geplant, teils unbeabsichtigt. Wenn mich jemand nach dem Rudern im Dunkeln fragt, erzähle ich gerne folgende Anekdoten:

Fischfang-Reusen in Berlin

Wir waren beim 24-Stunden-Rudern in Berlin. Wir sind dort bei Tageslicht einen Kanal entlanggefahren, an dessen Ufer Fischfang-Reusen standen - also im Grunde waren dort Holzstäbe im Wasser. Der äußerste war jeweils mit einem Baustellen-Blinklicht versehen - wir erwarteten keine Probleme für die Nacht.

Einige Stunden später befuhren wir denselben Kanal bei Dunkelheit. Hinzu kam, dass wir körperlich wie geistig nicht mehr in ganz so guter Verfassung waren. Natürlich sahen wir die blinkenden Lichter und wussten, dass dort Reusen sind. Was wir nicht mehr sahen, war das Ufer. Somit konnten wir kaum entscheiden, auf welcher Seite wir das Licht passieren sollten. Und da es ein Wettkampf war, wollten wir natürlich auch nicht stoppen. Wir haben uns schließlich öfter verschätzt.

Die Bucht am Genfer See

Auch diese Anekdote hat sich bei einer Regatta zugetragen. Wir waren bei Nacht auf dem Genfer See unterwegs. Ich habe den Vierer gesteuert. Wir befanden uns in einer großen Bucht und ich habe den Ausgang nicht gefunden. Wir sind mehrfach fast auf Grund gelaufen. Wie sich später herausgestellt hat, war »der Ausgang« mit einem Leuchtturm gekennzeichnet. Ich habe das Licht gesehen - mir war zu diesem Zeitpunkt jedoch vollkommen klar, dass dies ein Haus am gegenüberliegenden Seeufer war.

Die bewegenden Lichter

Wieder beim 24-Stunden-Rudern in Berlin: Wir passieren eine größere Wasserfläche bei Nacht. Alle Boote und Schiffe sind vorschriftsmäßig gekennzeichnet. Wir sahen also viele Lichter. Für den Steuermann hieß dies:

  1. Welche Lichter gehören zusammen zu einem Boot oder Schiff? Stellen wir uns einen Schubverband vor: da kann zwischen Bug und Heck schon ein großer Abstand sein. Gleichzeitig kennt man die Entfernung ja nicht. Also schaut man, welche Lichter sich gemeinsam bewegen.
  2. In welche Richtung fährt das Boot oder Schiff? Auf mich zu, vor mir weg oder querab? Also schaut man sich die roten und grünen Lichter an und entscheidet sich für eine Richtung.
  3. Was ist das für ein Schiff und wie groß ist es? Unter Umständen habe ich ja sogar Vorfahrt und brauche mich kaum zu kümmern. Aber vielleicht ist es auch richtig groß und wirft üble Wellen?

Wie ist es also bei Nacht?

Ein Problem ist, dass man Entfernungen kaum einschätzen kann. An Land ist das leichter, da dort üblicherweise viele Dinge herumstehen und liegen. Wasser hingegen ist einfach eine große dunkle und leere Fläche. Man kann die Entfernung also eigentlich nur an der Größe der Objektkontur ausmachen - wenn man sie denn sieht.

Da es auf dem Wasser nichts anzuleuchten gibt, bringen auch starke Lampen (quasi) nichts. Es hat schon seinen Grund, weshalb Flugzeuge und Schiffe auf starke Scheinwerfer verzichten. Die Idee ist selbst zu leuchten, um von anderen gesehen zu werden. Scheinwerfer bringen nur etwas, wenn es auch etwas anzuleuchten gibt. Also meist in Ufernähe, wie beim Anlegen. Leider sind Bojen, Hindernisse und Untiefen meist nicht beleuchtet.

Letztendlich muss man also ständig auf der Hut vor Hindernissen sein. Gleichzeit fällt die Orientierung erstaunlich schwer. Ich habe Ruderer erlebt, die selbst auf ihrem wohlbekannten Stausee in Niederhausen an der Nahe Niederhausen an der Nahe orientierungslos waren.

Meine Meinung zum Rudern bei Nacht

Grundsätzlich finde ich es sinnvoll, bei Nacht nicht zu rudern. Ich halte das auch so. Gleichzeitig kann ich jedem nur empfehlen, es unter kontrollierten Bedingungen einmal auszuprobieren. Man kann beispielsweise im Verein ein Nachrudern organisieren. Zwar kann man Dunkelheit - im Gegensatz zu einer Kenterung - durch gute Planung meiden. Aber im Fall des Falles bringt auch hier Erfahrung weitere Sicherheit. Schließlich üben wir ja - hoffentlich - auch das Einsteigen nach dem Kentern.

Ich muss aber auch sagen, dass ich das Rudern bei Dunkelheit nicht kategorisch ablehne. Ich rudere viel in Bad Kreuznach. Dort führen große Teile der Strecke durch die Innenstadt. Ganz dunkel ist es dort nie. Gleichzeitig gibt es dort, insbesondere bei Dunkelheit, keine anderen Boote oder Hindernisse. Hier löst Dunkelheit bei mir kein Unbehagen aus. Dunkelheit ist hier ein Faktor, den es zu berücksichtigen gilt, genau wie Kälte. Wenn es also in der dunklen Jahreszeit zum Ende des Trainings mal knapp an Tageslicht wird, bin ich trotzdem sorglos.

In dieser Beziehung sind die Kanuten mal wieder viel entspannter als wir Ruderer. Kanuten »sehe« ich öfter bei Nacht auf dem Wasser. Ich weiß auch von Rudervereinen, bei denen es nicht ungewöhnlich ist, bei Nacht im Winter Einer zu fahren. Und scheinbar passieren da auch nicht zu viele schreckliche Dinge…

unsplash-logoZongnan Bao

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Über Mich

Ich rudere nicht nur, ich blogge auch darüber. Wenn ich nicht trainiere, habe ich nichts zu schreiben...