Weshalb es bei Ruderbooten auf die Länge ankommt
Wenn ich über Ruderboote und ihre Eigenschaften schreibe, beziehe ich meist auch auf die Länge. Denn die diese hat entscheidenden Einfluss auf die Geschwindigkeit und darauf, wie sich ein Boot anfühlt. Hier erkläre ich den Hintergrund dazu.
Die Norm für Gig-Boote
Vor einigen Tagen bin ich auf einen Bericht gestoßen , dass Baumgarten nun C-Zweier mit Steuermann nach der aktuellen Norm des für C-Boote im Angebot hat. Diese dürfen nun 9,20 m statt 8,50 m lang sein. Die Norm-Änderung halte ich für eine gute Sache - insbesondere da diese Boote oftmals auch als Dreier ohne Steuermann gefahren werden.
Ich möchte allerdings hier nicht über den Sinn und Unsinn dieser Norm sprechen. (Ihr könnte ja mal nachmessen, wie viel Gig-Dreier Ihr greifbar habt, die nur 8,50 m lang sind). Mich hat der Bericht inspiriert, über das Thema Bootslänge und ihre Auswirkung zu schreiben.
Die Länge der Wasserlinie bestimmt die Rumpfgeschwindigkeit
Jedem Ruderer ist klar, dass längere Boote besser geradeaus laufen und kürzere Boote wendiger sind. Dasselbe gilt für Skier, Snow-, Kite-Boards, Autos, Schlitten und dergleichen mehr. Für Ruderboote gibt es außerdem noch einen direkten Einfluss auf die Geschwindigkeit:
Ruderboote bewegen sich in der Verdrängerfahrt. D.h. im Gegensatz zur Gleitfahrt gleiten sie nicht über das Wasser, sondern verdrängen es. Ihr Rumpf ist also während der gesamten Fahrt im Wasser, während sich Boote in Gleitfahrt aus dem Wasser herausheben.
Laut Wikipedia gilt:
Die Länge der Wasserlinie L ist bestimmend für die Rumpfgeschwindigkeit, also die theoretische Höchstgeschwindigkeit des Bootes in Verdrängerfahrt.
Das bedeutet also:
- Nur lange Ruderboote können schnell sein.
- Kurze Ruderboote sind automatisch langsamer.
Andere Größen wie die Rumpf-Form haben zweifelsohne Einfluss darauf, wie leicht oder schwer sich diese maximale Rumpfgeschwindigkeit erreichen lässt. Aber die Länge bedeutet eine harte Grenze für die maximale Geschwindigkeit - für mich war das eine gewaltige Erkenntnis.
Relevanz und Erreichbarkeit der maximalen Rumpfgeschwindigkeit für Ruderboote
Nähert sich ein Boot seiner maximalen Rumpfgeschwindigkeit, baut sich je eine Bug- und Heckwelle auf. Mit zunehmender Geschwindigkeit werden diese Wellen größer. Man fährt buchstäblich seine eigene Welle hoch. Schließlich würde das Heck unter die Wasseroberfläche gedrückt.
So dramatisch wird es im Ruderboot natürlich eher nicht. Aber in einigen Booten kann man sich der maximalen Rumpfgeschwindigkeit nähern. Man sieht die Heckwelle. Manchmal spürt man, dass das Heck tiefer im Wasser sitzt. Es fühlt sich an, als würde das Boot sich festkrallen. Gerade im Gig-Dreier habe ich das schon öfter erlebt. Verstärkt wird dieser Effekt durch flaches Wasser, welches den Widerstand erhöhen kann.
Selbstverständlich sprechen wir hier über die Geschwindigkeit relativ zum Wasser, nicht über die Geschwindigkeit über Grund wie sie beispielsweise eine GPS-Uhr anzeigt. Lässt man sich bei starker Strömung treiben, entstehen weder Bug- noch Heckwelle.
Ein paar Rechenbeispiele
Update März 2022: Mich hat inzwischen ein Leser darauf aufmerksam gemacht, dass die folgende Formel nur für Boote anwendbar ist, die kein zu großes Verhältnis von Länge zu Breite haben. Das bedeutet, die Formal gilt für Ruderboote nur bedingt, da diese lang und schmal sind. Die genannten Zahlen können also höchstens als Näherungswerte verstanden werden.
Die maximale Rumgeschwindigkeit in km/h berechnet sich aus der Quadratwurzel der Länge der Wasserlinie, multipliziert mit dem Faktor 4,5:
$$\begin{eqnarray} V_{max} &=& \sqrt{L} \cdot 4,5 \end{eqnarray}$$
Für die C-Zweier-Norm bedeutet dies also, dass Boote nun näherungsweise 13,65 km/h statt 13,12 km/h erreichen können - zugegeben, ich habe vereinfachend statt der Länge der Wasserlinie die Bootlänge verwendet.
Das klingt erstmal nach einem geringen Unterschied. Und jenseits eines Rennens ist der so gewonnene zeitliche Unterschied sicherlich nicht von großer Bedeutung. Aber wir dürfen nicht vergessen, wie es sich für die Ruderer anfühlt. Wir möchten alle in Booten sitzen, die sich »leicht und spritzig« anfühlen. Und das können sie nur, wenn sie ihre maximale Geschwindigkeit noch lange nicht erreicht haben.
Für die Boote, die ich neulich verglichen habe, habe ich die maximalen Rumpfgeschwindigkeiten gleichermaßen1 ausgerechnet. Für den LiteRIVER ergibt sich so eine maximale Rumpfgeschwindigkeit von 10,65 km/h. Der Hersteller nennt 5 bis 8 Knoten als Durchschnittsgeschwindigkeit, also 9,26 bis 14,82 km/h. Das erscheint mir vor diesem Hintergrund sehr optimistisch. Bei meiner letzten Ausfahrt hatte ich eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 9,7 km/h - wobei ich oft wende und ordentlich Strömung hatte.
Boot | Länge (cm) | max. Rumpfgeschwindikgeit (km/h)1 |
---|---|---|
LiteRiver | 560 | 10,65 |
Volans2 | 550 | 10,55 |
Volans4all | 510 | 10,16 |
Volanscoastal | 520 | 10,26 |
MOJO 18' | 549 | 10,54 |
AIRKAYAK 16' | 485 | 9,91 |
Explorer 21 | 632 | 11,31 |
RowSUP | 425 | 9,28 |
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