Rowing Matters

Aus dem Training eines Freizeit-Ruderers: Ein Blog über Training, Rudertechnik und Ausrüstung.

Das Anlege-Manöver im Ruderboot

Mit Verwunderung stelle immer wieder fest, dass viele Ruderer nicht wissen, wie sie richtig anlegen. Natürlich erreichen alle irgendwie den Steg - aber souverän wirkt das nicht. Daher beschreibe ich hier das Anlege-Manöver, wie ich es als »gut« empfinde.

Thilo

Lesezeit: 4 Minuten

Das Anlege-Manöver im Ruderboot

Ich möchte mich nicht nur über andere echauffieren, sondern auch meinen kleinen Teil dazu beitragen, die Situation zu verbessern. Daher beschreibe ich hier, das Anlege-Manöver im Detail.

Grundsätzlich gegen den Strom

Man legt grundsätzlich gegen die Strömung an! So erreicht man bei geringer Geschwindigkeit zum Ufer eine möglichst große Manövrierbarkeit. Außerdem kann man das Manöver leichter abbrechen.

Dieser einfache Grundsatz sollte jeder Ruderer gelernt und verinnerlicht haben. Dennoch bin ich immer wieder überrascht, wie schnell der Grundsatz »über Bord« geworfen wird. So erinnere ich mich beispielsweise an eine Lehrwanderfahrt, die für einige Boote mit dem Strom endete - sei es aus Bequemlich- oder Müdigkeit.

Daher in aller Deutlichkeit: Das Anlegen gegen den Strom dient der Sicherheit von Mensch und Material. Es hat niemand etwas davon, wenn Ihr mit dem Strom in den Steg oder andere Boote kracht.

Ich sehe nur zwei Ausnahmen:

  1. Aus räumlichen Gründen ist es nicht möglich.
  2. Der Wind ist so stark, dass er die Strömung deutlich »überbietet«. Dann kann es sinnvoll sein, gegen den Wind anzulegen.

Das Anlege-Manöver

Der Winkel zum Steg ist für das Anlege-Manöver entscheidend
Der Winkel zum Steg ist für das Anlege-Manöver entscheidend

Man startet mehrere Bootslängen vor dem Steg und fährt diesen langsam in einem Winkel von ca. 80-45° an. Man fährt also eine leichte Kurve, um den Steg nicht zu rammen.

Die Geschwindigkeit muss ausreichen, um die Kurve zu steuern: Steuern heißt stets, die Fahrt zu verringern. Fährt man in einem spitzen Winkel an, braucht man also eine höhere Geschwindigkeit, um die Kurve zu bekommen. In einem flacheren Winkel kann man langsamer anfahren.

Nähert man sich dem Steg, gilt es die Kurve zu steuern: In gesteuerten Gig-Booten bewältigt dies meist das Steuer. In Renn- und ungesteuerten Booten stoppt die Mannschaft auf der dem Steg abgewandten Seite - auf Kommando.

Es genügt vorerst ein kurzes Stoppen bzw. Steuern. Damit dreht sich das Boot vom Steg weg und man gleitet etwas weiter. Nähert sich der Bug wieder dem Steg, stoppt bzw. steuert man erneut.

Wozu die Kurve gut ist

Die Kurve mag unnötig erscheinen, hilft aber:

  • Fährt man eine Kurve, kann man auch hinter anderen Booten oder Hindernissen anlegen.
  • Durch das Steuern der Kurve, kann man die Geschwindigkeit etwas regulieren. Dann legt man eben etwas weiter vorne oder hinten an.
  • Durch das Steuern der Kurve, kann man auf Windböen reagieren.
  • Das Manöver funktioniert auch bei starker Strömung.
  • Es ist räumlich nicht immer möglich, parallel anzufahren.

Weshalb es keine gute Idee ist, parallel zum Steg anzulegen

Das sehe ständig - und ich gebe zu, als Anfänger bin auch ich der Versuchung erlegen: Man positioniert das Boot parallel zum Steg und fährt langsam darauf zu. Dann braucht man keine großen Manöver und hebt einfach die landseitigen Ruder an, um den Steg darunter zu lassen.

Das Problem ist nur, es muss alles genau passen:

  • Stimmt der Winkel nicht, fährt man entweder gegen den Steg oder aber von ihm weg. Meist ist letzteres der Fall, da man notfalls ja noch absteuern kann.
  • Man hat kaum die Möglichkeit, die Geschwindigkeit zu regulieren, denn einseitiges Stoppen verändert den Anfahrtswinkel. Also fährt man entweder vom Steg weg oder rauscht an ihm vorbei. Gelegentlich wird auch beherzt der Steg gegriffen.
  • Man kann kaum auf eine kleine Windböe reagieren.
  • Ist man zu weit vom Steg entfernt, kann man das in ungesteuerten Booten kaum korrigieren, denn die Ruder sind ja über dem Steg.
Wer versucht, parallel zum Steg anzulegen, fährt schnell vom Steg weg (oder auch dagegen)
Wer versucht, parallel zum Steg anzulegen, fährt schnell vom Steg weg (oder auch dagegen)

Variation bei starker Strömung

Das Anlegen bei starker Strömung funktioniert genauso. Die einzige Herausforderung besteht darin, dass man schlecht an den Steg herangleiten kann. Da hilft es erst neben den Steg zu fahren - so dass man noch rudern kann. Dann gleichzeitig: Ruder halt und an den Steg heransteuern. Ist der Bug kurz vor dem Steg: absteuern, um das Heck zum Steg zu bekommen.

Nach dem Anlegen ist vor dem Aussteigen

Es gibt keinen Grund, dass das Boot den Steg berührt. Leider erkennt man die übliche Anlege-Seite eines Bootes in der Regel an Schrammen und Macken. Daher gilt: Ziel des Anlege-Manövers ist es, neben dem Steg zu liegen. Auch beim Aussteigen und Herausnehmen braucht das Boot den Steg nicht zu berühren - aber dieses Thema wäre einen eigenen Artikel wert.

Tipps & Tricks

Schließlich noch ein paar Kniffe, die ich mir angewöhnt habe:

  • Als Steuermann eines Heck-gesteuerten Bootes sieht man den Bug leider nicht. Früher habe ich mich da im Gig-Boot gerne hingestellt. Das habe ich mir abgewöhnt: Wenn ich sitze, kann ich als Steuermann die Intensität des Stoppens durch die Mannschaft gut regulieren, indem ich mein Gewicht verlagere. Stoppt die Mannschaft zu schwach, lehne ich mich zur Seite.
  • Es hilft, einer unerfahrenen Mannschaft das Manöver vor dem Anlegen zu erklären. Denn beim Anlegen kommt es auf das Timing an - da ist es nicht hilfreich, wenn die Mannschaft keine »Bedenkzeit« benötigt.

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Über Mich

Ich rudere nicht nur, ich blogge auch darüber. Wenn ich nicht trainiere, habe ich nichts zu schreiben...